Technik ist die Anstrengung, Anstrengungen zu ersparen. ‒ Baltasar Gracian y Morales
Beim Konsum sollten wir die Lieferketten aller Produkte, die wir kaufen hinterfragen. Fair bedeutet, dass die Arbeiter:innen einen angemessenen Lohn für ihre Arbeit erhalten sowie, dass ihre Arbeitsbedingungen gerecht sind und sie nicht ausgebeutet werden. Im Lebensmittelbereich erkennen wir faire Lebensmittel an einem fairen Siegel, wie das uns allbekannte Fairtrade Siegel. Auch in der Modeindustrie gibt es mittlerweile Siegel, die uns dabei helfen sowohl soziale Kriterien als auch die Verarbeitung der Rohstoffe mit umwelttechnischen Anforderungen zu erkennen. Doch bei der Elektronik, so ging es mir zumindest, tappen wir im Dunkeln. Mit dem hilfreichen Handbuch für fairen Konsum Fair einkaufen – aber wie? konnte ich diese Wissenslücke bei mir schließen.
Allein in Deutschland nutzen laut der Studie von Bitkom 54 Millionen Menschen ab 14 Jahren schon ein Handy. Bei der Produktion eines Smartphones inklusive des Akkus werden mehr als 30 unterschiedliche Metalle wie Coltan, Kobalt, Kupfer, Nickel Platin oder Zinn benötigt. Doch bei der Gewinnung der Rohstoffe werden in vielerlei Hinsicht Grundrechte verletzt. Dafür werden Wälder abgeholzt (Ich frage mich ernsthaft für welches unserer Bedürfnisse kein Baum gefällt werden muss), Menschen zwangsumgesiedelt und bei der Arbeit in Minen ausgebeutet.
Die Arbeiter:innen werden bei der Herstellung eines Smartphones, in der Gewinnung sowie der Fertigstellung, nicht angemessen bezahlt, zu enormen Überstunden gezwungen und arbeiten ohne Schutzbekleidung in meist nicht gut belüfteten Fabriken. Kann sich eine*r von uns vorstellen unter diesen Bedingungen zu arbeiten? Die Zulieferer von beispielsweise Apple sind unter anderem Catcher, Green Point, Foxconn oder Pegatron, deren Mitarbeitende bis zu 136 Überstunden im Monat erreichen. Menschenrechtsorganisationen wie China Labor Watch oder Germanwatch kontrollieren die Arbeitsbedingungen in chinesischen Fabrikhallen und kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen. Sie berichten von Selbstmorden einiger Arbeiter*innen, die den Druck nicht mehr aushalten konnten. Wenn sie sich weigern Überstunden zu machen, wird ihnen klar gemacht, dass sie ersetzbar sind. Denn meist sind es ungelernte Frauen und Männer, teilweise auch Kinder, die in den Fabriken bis zur Erschöpfung unsere Elektronik herstellen.
Der Umsatz von Apple lag im Jahr 2018 bei 63 Milliarden Dollar. Allein im dritten Quartal (Juli bis September) hat Apple 46, 9 Millionen iPhones verkauft. Das sind 60 Prozent des Gesamtumsatzes. Die Menschen, die die Smartphones Fertigen bekommen fast nichts davon. Denn am Produktionswert eines Geräts machen die Arbeitskosten nur 2 Prozent aus. Das ist in der gesamten Elektroindustrie der Fall, wenn die meist ungelernten Arbeiter einen Stundenlohn von umgerechnet 1, 90€ verdienen. Die Gewinnung der Rohstoffe ist ebenfalls kritisch zu betrachten. Drei der benötigten Rohstoffe von Smartphones und weiterer Elektronik werden vorwiegend in der Demokratischen Republik Kongo gewonnen. Es handelt sich um Coltan, Kobalt und Zinn, dessen Hälfte der Weltproduktion von dort stammt. Aus den Gewinnen des Verkaufes der Rohstoffe fördern die Kriegsparteien seit Jahren den Bürgerkrieg im Osten des Landes. Diese werden von uns, den Co-Produzenten wie die Trägerin des alternativen Nobelpreises Vandana Shiva die Konsumenten nennt, mit finanziert. Eine saubere Lieferkette wird schon lange gefordert. Gesetzliche Rahmenbedingungen existieren zum Teil, die seit 2014 vorgeben, dass die Firmen angeben müssen wie die Rohstoffe gewonnen worden sind. Doch auch diese Regelungen haben Schlupflöcher.
Um die Produktionskette im Bereich der Elektronik für den Verbraucher erkennbar zu gestalten, wurde das Nachhaltigkeitssiegel TCO Certified entwickelt. Mit dem Siegel werden nachhaltig produzierte IT-Geräte, wie Computer, Beamer, Kopfhörer, Laptops, Monitore, Smartphones oder Tablets ausgezeichnet. Es ist auf Produkten von Acer, AOC, Asus, Benq, Dell, Eizo, Fujitsu, HannsG, HP, Iiyama, Lenovo, LG, NEC, Philips, Samsung, Terra und ViewSonic vorzufinden. Das Gütezeichen soll umfangreichen Umweltvorschriften sowie soziale Vorgaben garantieren. Doch in dem erstmalig 2014 veröffentlichten Bericht von TCO, in dem die Vorgaben geprüft worden sind, haben nur 2 der insgesamt 17 genannten Hersteller die Kriterien erfüllt. Welche Unternehmen die Richtlinien zur Gewinnung des Siegels eingehalten haben oder nicht, wurde nicht bekannt gegeben. Das heißt, dass 15 von ihnen weiterhin schlechte Arbeitsbedingungen haben, Überstunden nicht bezahlen und unzureichenden Arbeitsschutz gewähren. Wie sollen wir handeln, wenn wir uns nicht einmal auf das Siegel verlassen können?